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Verwirklichung von Ansprüchen aus two six one/2004 in der Praxis

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Zweimal schon hatte ich europäischen Airlines mit Hartnäckigkeit und Unterstützung 'höherer Institutionen' zeigen müssen, dass man mich nicht verarschen kann und mich bitte als Geschäftspartner ernst nehmen möge. Zweimal wurden meine Forderungen erfüllt und ich erhielt am Ende sowohl eine Entschädigung von 400€ als auch Erstattung meiner Auslagen.
Daher - und natürlich aufgrund der Umstände der Flugstornierung - war ich recht zuversichtlich, als ich im aktuellen Fall einen RA beauftragte, für mich eine Klage gegen eine europäische Airline einzureichen, nachdem diese meine angemeldeten Ansprüche wiederholt mit einer recht schroffen Ablehnung abgekanzelt hatte. Eine Rechtschutzversicherung habe ich nicht. Der mir empfohlene RA mit Spezialisierung auf Verkehrsrecht erklärte mir im Vorfeld, dass ich im schlimmsten Fall bei ca. 600€ Streitwert zwischen 800 und 900 Euro an Kosten für Gericht und Anwälte bezahlen müsste. Schien mir überschaubar.

Nach diversen Wochen erhielt ich endlich über den RA ein Schreiben vom Gericht, dass an die Gegenseite eine Klageschrift HERAUSGEGANGEN sei, in der die Airline aufgefordert wurde, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung zu erklären, ob sie sich gegen die Klage verteidigen wolle, und innerhalb von vier Wochen sollte ihre Entgegnung vorliegen.
Dafür hatte ich schon mal 150€ an das Gericht überwiesen.

Mehr als fünf Wochen nach von mir vemuteter Zustellung kam erneut ein Schreiben vom Gericht, dass die Klageschrift in die Sprache des Landes übersetzt werden müsse, in welchem die Airline ihren Sitz hat. Es war also noch überhaupt nichts verschickt worden!
Dem Gericht war von Anfang an bekannt, dass die Klage im Ausland zugestellt werden musste, da die Airline keine Zustelladresse in Deutschland hatte. Für die Übersetzung möge ich doch mal eben so abermals 150€ überweisen.
Nach Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Richter wurde meine Befürchtung bestätigt, dass ich auch bei zukünftiger Korrespondenz jedesmal eine Übersetzung bezahlen darf.
Mein Laien-Rechtverständnis wurde hierdurch stark angeknackst.

Eine ausländische Firma operiert in grossem Umfang in Deutschland, unterhält eine Homepage in deutscher Sprache; der fragliche Flug sollte von einem deutschen Airport in ein europäisches Drittland gehen - jedoch eine gerichtliche Auseinandersetzung muss in 'ausländisch' stattfinden !?

Weder der 'Fach'-RA noch der Richter schienen dies zu ahnen oder zu kennen. Anscheinend hat erst eine Art 'Poststelle' den Spezialisten die Feinheiten geltenden Rechts nahegebracht.

Zusätzlich frustrierend sind für den von der Airline geprellten Kunden noch zwei Aspekte.
1) Für ein normales Menschlein unnachvollziehbare lange 'Laufzeiten' innerhalb ein und desselben Gerichts.
2) Nichtsagende Textbausteine - ja sogar krasse Falschaussagen - wie "der Gegenseite WURDE mitgeteilt, dass ... ".
Nein - die Gegenseite weiss bis heute noch nicht, dass sie verklagt werden sollte, da ich den Vorgang jetzt wohl abbrechen werde. Statt ca. 800€ "im schlimmsten Fall" könnte ich jetzt diverse Tausende 'investieren', um am Ende evtl. mit einem Titel da zu stehen, der sich nicht vollstrecken lässt, wie mir vom Gericht 'angedeutet' wurde.

Da hier im Forum viel mit Halbwissen um sich geworfen und sehr schnell auf 2.6.1/2004 verwiesen wird, könnte der ein oder andere Leser diese Richtlinie, oder wie sich das auch immer offiziell nennen mag, als 'Selbstläufer' deuten. Daher wollte ich meine Erfahrungen aus erster Hand hier mal reinsetzen und dagegen stellen. Nach meinem Erleben in diesem Fall empfinde ich diesen Paragraph als eine Art zahnlosen Tiger, wenn man nicht das 'Glück' hat, von einer Airline storniert zu werden, die zufällig Deutsch als Muttersprache hat.

(Ich habe absichtlich die fragliche Airline nicht genannt, und möchte auch bitten, von Mutmassungen hierzu abzusehen, falls sich hier jemand hier beteiligen will. Es ist egal ob die Airline Welling oder sonst wie heisst - das von mir erlebte trifft wohl jeden, der versuchen will, von einer europäischen Airline ohne Zustelladresse in Deutschland seine Forderungen einzuklagen !)

War es nicht so, dass in Deutschland kein Elektronikartikel verkauft werden darf, ohne dass eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache beiliegt?
Aber wenn man auf dem deutschen Markt mit einer deutschsprachigen Homepage Flüge verkauft, kann man sich auf die Position zurückziehen, dass im gesamten Konzern niemand Deutsch lesen kann?

Bei den für Übersetzungen anfallenden Kosten, für welche der Kläger in Vorleistung gehen muss, kann sich doch jede stornierungsgeile ausserdeutsche europäische Airline getrost gemächlich zurücklehnen, egal was in Brüssel an 'Verbraucherrechten' verabschiedet werden mag. :mad:

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